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Mit vereinten Kräften

Wie durch intelligente Kooperationen erfolgreich anwendbare KI-Modelle entwickelt werden. Ein Praxisbeispiel aus dem Hause der Zurich Gruppe Deutschland.

Mit vereinten Kräften

Versicherer beurteilen Technologien und Möglich­keiten im Schadenbereich häufig auf Basis des Schadendreiecks, bestehend aus Effizienz, Effek­tivität und Kundenzufriedenheit. Im Schadenfall hat Künst­liche Intelligenz (KI) das Potenzial, in allen drei Bereichen gleichzeitig zu punkten. Denn durch den Einsatz von KI kann zum Beispiel die Dauer der Schadenregulierung maßgeblich verkürzt werden. Dadurch können die Ziele der Versicherer erreicht werden, nämlich Kosten- und Effizienzvorteile sowie eine verbesserte Kundenzufriedenheit.

Viele Versicherer haben das Potenzial bereits erkannt, schöpfen dieses aber trotzdem nicht gänzlich aus. Neben fragmentierten Lösungen, zu schmalen Edge Cases – ge­meint sind zu eng definierte Spezialfälle – und mangelnden Datenkompetenzen fehlt es oft auch schlicht an der nötigen Portion Mut. So zeigt eine aktuelle Studie zum Reifegrad der Digitalisierung des Schadenmanagements deutscher Versicherer, dass KI-Lösungen zwar von mehr als zwei Dritteln der Befragten im Schadenmanagement eingesetzt werden, jedoch befindet sich die Hälfte davon noch in der Pilotierungsphase, während die andere Hälfte KI meist nur für einzelne Use-Cases einsetzt (zeb und Eucon, 2021). Hinzu kommt, dass Mitarbeitende oft skeptisch oder gar mit Widerstand auf KI-gesteuerte Prozesse reagieren (Bain & Company, 2021).

Entsprechend ist die gängige Praxis bei einer Vielzahl von Versicherern, dass jeder Schadenbeleg weiterhin manuell durch einen Sachverständigen oder Belegprüfer geprüft werden muss. Doch trifft das auch die gestiegenen Kundenanforderungen an Schnelligkeit und Effektivität? Um die vielversprechenden Chancen zu nutzen, müssen KI-Ansätze stärker forciert und noch konsequenter ins Tagesgeschäft überführt werden. Ein Versicherer, der den Schritt gewagt und erfolgreich umgesetzt hat, ist die Zurich Gruppe Deutschland.

Die Bündelung fragmentierter Vorhaben zu einer ganzheitlichen Digitalisierungsstrategie, die konsequente Integration von KI ins Tagesgeschäft sowie die erfolgreiche Transformati­on der Kernprozesse machen die Zurich Gruppe Deutschland zu einem Digitalisierungsvorreiter der Versicherungsbranche. Sie denkt Digitalisierung, Daten und KI weiter – konzernweit und über alle Prozesse – vor allem im Schadenbereich.

In diesem Zusammenhang hat Zurich eine zentrale cloud-basierte KI-Plattform etabliert. Darauf aufbauend hat Markus Troche, Head of Claims, gemeinsam mit Dr. Michael Zimmer, Chief Data Officer (CDO) der Zurich Gruppe Deutschland, ein Projekt für den Einsatz von KI-Modellen zur automatisierten Belegprüfung initiiert. Der nachfolgende Use-Case verdeut­licht, wie KI in der Versicherungspraxis erfolgreich eingesetzt werden kann.

„Aktuell lassen wir über Hunderttausend Belege teilautomatisiert inhaltlich prüfen und wissen, dass nur knapp 40% dieser Belege wirklich korrigiert werden müssen. Unser mittelfristiges Ziel ist es, die 60% nicht zu korrigierenden Belege mittels KI herauszufiltern. Das beschleunigt den Regulierungsprozess und macht den Kunden zufriedener. Zudem ersparen wir uns unnötige Prüfkosten.“

Markus Troche, Head of Claims, Zurich Gruppe Deutschland

USE-CASE: ERFOLGREICHER EINSATZ EINES KI-MODELLS ZUR AUTOMATISIERTEN BELEGPRÜFUNG

Was im ersten Moment einfach klingt, ist für viele eine Her­ausforderung. Zu verstehen, wie Daten und Texte intelligent erfasst sowie über unterschiedliche Schnittstellen hinweg ausgetauscht werden, erfordert Expertise in allen Bereichen: von der erforderlichen Technologie über die fachliche Kom­petenz bis hin zur Implementierung. Eine intelligente Voraus­wahl ist dazu der Schlüssel und KI macht es möglich.

Ziel des Projekts war der Aufbau sowie die Umsetzung eines KI-Modells zur automatisierten Belegprüfung und die Anbindung externer Partner im Data-, Analytics- und KI-Öko­system. Analog der Strategie werden so Servicequalität und Kundenerfahrungen verbessert sowie Prozesse im Unterneh­men agiler und schneller. Doch was sind die entscheidenden Aspekte zur erfolgreichen Realisierung eines KI-Projekts und wie gehen Versicherer im Allgemeinen bei Digitalisierungs­vorhaben vor? Der CDO gibt Einblicke in das Projekt: von der Planung bis hin zur Umsetzung und dem Go-Live.

„Das aktuelle Projekt beschäftigt sich mit der Automatisierung der Belegprüfung durch KI, das ist aber nur ein Bruchteil von dem, was durch KI möglich ist. Uns als Versicherer bietet Künstliche Intelligenz große Potenziale, die wir bereits jetzt nutzen und zukünftig auf unserem Weg zur Insight Driven Insurance noch strategischer einsetzen wollen.“

Dr. Michael Zimmer, CDO, Zurich Gruppe Deutschland

Die Integration von KI im Tagesgeschäft wird teilweise noch immer kritisch betrachtet. Dabei bietet sie viele Chancen. Die Automatisierung der Belegprüfung ist erst der Anfang. KI ist vielseitig einsetzbar – und wenn man es richtig macht, ein absoluter Erfolgsfaktor, um sich im Wettbewerb zu positio­nieren und die Loyalität der Kunden zu steigern.

Zur erfolgreichen Umsetzung von KI-Modellen müssen Anforderungen definiert und ein Proof of Value (PoV) zur Überprüfung des Nutzens sowie der Machbarkeit durchge­führt werden. Durch eine gezielte Kombination von Bottom-Up- und Top-Down-Ansätzen werden sämtliche Ebenen – von operativ bis strategisch – aktiv in den Prozess integriert.

Die Planungen von Digitalisierungsvorhaben, vor allem im Bereich der KI, sind vielzählig. An der Umsetzung scheitert es indessen oft. Das Erstaunliche an diesem Beispiel? Bei dem Projekt handelt es sich nicht nur um ein Digitalisierungspro­jekt, sondern auch um ein digitales Projekt. Für die Umset­zung des Projekts kam ein internationales Team zum Einsatz. Dank des ‘New Work‘ war es uns möglich, das Projekt über die Häuser hinweg remote durchzuführen. Diese Bündelung von internationalem Know-how und die Betrachtung aus unterschiedlichen Blickwinkeln führte zu unkonventionellen Lösungen und Innovationen.

„Um die entsprechenden Daten liefern zu können, braucht man das Wissen über die Schaden-, Sub- und Nebenprozesse sowie deren Abhängigkeiten zueinander. Wir verändern die Versicherungsbranche seit knapp 20 Jahren. Dadurch haben wir über Jahre unser Fachwissen erweitert und Prozesse perfektioniert.“

Philipp Kupka, Head of Sales, Eucon Digital GmbH

VERSICHERER LIEFERT QUALITATIVE DATEN, DIENSTLEISTSER SETZT DIESE GEWINNBRINGEND EIN

Neben dem Mut, der fachlichen Kompetenz sowie den tech­nologischen Ausstattungen zur erfolgreichen Umsetzung eines Digitalisierungsprojektes braucht es Partner, die einen dabei unterstützen und begleiten. Versicherer und Dienstleis­ter müssen Hand in Hand gehen, um die datengetriebene Digitalisierung erfolgreich voranzutreiben. Während Ver­sicherer ihre Daten und Prozesse einbringen, unterstützen Dienstleister mit ihrem spezifischen Fach- und Expertenwis­sen wie beispielsweise zur Gutachtenprüfung. Das Projekt der Zurich Gruppe Deutschland wurde durch den Dienstleis­tungspartner Eucon begleitet und vom Head of Sales, Philipp Kupka, betreut. Doch was macht einen guten Dienstleister aus? Dienstleister müssen nicht nur Technologie- und Daten­kompetenz besitzen, sondern eine tiefe fachliche und pro­zessuale Expertise aufweisen. Sie müssen verstehen, wofür das KI-Modell angewandt wird, und sich flexibel den Zielen und Anforderungen der Versicherer anpassen, um entspre­chende Daten liefern zu können und über kundenindividuel­le Schnittstellen nutzbar zu machen.

Erfolgreich ist KI nur dann, wenn eine Vielzahl an quali­tativen Daten vorliegt. Ein weiterer zentraler Aspekt für den Erfolg von KI-Lösungen liegt darin, dass sich Dienstleister den individuellen Vorgaben der Versicherer anpassen. Außerdem braucht es für den Erfolg eine ganzheitliche Strategie. Jeder Versicherer hat andere Ziele – es gibt nicht das eine KI-Modell und auch nicht die eine Lösung. KI ist ein Konstrukt mit einer großen Bandbreite an Möglichkeiten, das in den gesamten Schadenprozess eingebettet werden muss. Nur so kann es erfolgreich eingesetzt werden.

SACHARBEITER WERDEN NICHT ERSETZT, SONDERN VON STANDARDTÄTIGKEITEN ENTLASTET

Der Einsatz von KI-Lösungen kann zu großen Vorteilen in der Schadenbearbeitung führen – und das schon ab der Scha­denaufnahme, wenn die Schadenhöhe ermittelt werden muss. Der Einsatz von KI zur automatischen Bilderkennung stellt ein weiteres spannendes und wertvolles Themengebiet dar. So kann auf Basis der KI innerhalb kürzester Zeit eine Schadenhöhenschätzung, eine schnelle Rückmeldung an den Versicherungsnehmer sowie ein zielgerichtetes Routing erfolgen: zur fiktiven Abrechnung oder direkten Reparatur­freigabe beispielsweise. (Vgl. auch https://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/de/Documents/Innovation/data-science.pdf)

Trotz der vielen Potenziale durch die Ausschöpfung von KI-Lösungen stehen noch immer viele Versicherer und de­ren Mitarbeitende KI-Modellen teilweise kritisch gegenüber. Durch ein gezieltes Change-Management müssen diese aktiv im Prozess integriert werden. Der Use-Case hat gezeigt, wie es funktioniert.

Durch die Kombination einer sauberen Datenstrukturie­rung und eines erprobten KI-Modells können Belege automa­tisiert verarbeitet werden, ohne dass ein Belegprüfer manuell tätig werden muss. Ziel ist es hier nicht, Sachbearbeiter zu ersetzen, sondern ihr Expertenwissen am richtigen Ort ein­zusetzen und sie von zeitaufwändigen Standardtätigkeiten zu entlasten. So können Aufwand und Bearbeitungszeit von einfachen Schadenfällen erheblich reduziert und die Konzen­tration auf komplexe Fälle gelegt werden. Die KI steht damit nicht über den Sachbearbeitern, sondern ist ein ergänzendes Konstrukt im Schadenmanagement. Dieser Gedanke ist noch nicht in den Köpfen aller Versicherer angekommen. Sie müs­sen umdenken, um den Zeitpunkt des Wandels anzugehen und ihn nicht zu verpassen.

KI-Lösungen sind ein neues Themenfeld, das die Versiche­rer vor komplexe Herausforderungen stellt: Funktionierende Prozesse müssen beibehalten und an den richtigen Stellen um KI ergänzt werden. Dafür müssen Versicherer Mut be­weisen, Initiativen zu starten. Für eine erfolgreiche Digitali­sierungsstrategie braucht es ein Management, das Projekte konsequent vorantreibt. Die Projekte müssen auf die über­geordnete Strategie der Versicherer einzahlen und in die prozessuale und technologische Infrastruktur eingebettet werden. Das geht nicht allein, sondern es braucht zuverläs­sige Partner, damit Ziele erreicht werden und KI erfolgreich eingesetzt werden kann.

KOOPERATIONEN STATT DER FRAGE „BUILD OR BUY“

Das wichtigste Take-away: Digitalisierungsstrategien müs­sen nicht immer nur auf die Frage „build or buy“ abzielen. Das Schlüsselwort lautet: Intelligente Kooperation – sowohl zwischen Versicherer und Dienstleister als auch zwischen Daten, neuester KI-Technologie und Expertenwissen. So ma­chen Versicherer und Dienstleister gemeinsam den nächsten Schritt im Schadenmanagement.

 

Erstveröffentlichung in der Versicherungswirtschaft Ausgabe 8/2021.

Verfasst von Markus Troche, Zurich Gruppe Deutschland, Dr. Michael Zimmer, Zurich Gruppe Deutschland und Philipp Kupka, Head of Sales Eucon Digital GmbH