Dienstag, 01. September 2020
Kooperationen mit PropTechs treiben die Digitalisierung der Bau- und Immobilienbranche voran. Angesichts von über 500 digitalen Dienstleistern allein im deutschsprachigen Raum fällt die Auswahl jedoch schwer. Vor Einkauf einer Leistung ist folglich Beratung nötig. Diese leisten etablierte digitale Mittelständler ebenso wie die traditionellen Immobilien-Serviceunternehmen. Wie aber findet man den richtigen Digitalisierungspartner im Wirrwarr der vielen Anbieter am Markt?
Von Heike Gündling, Managing Director Real Estate von Eucon Digital, und Steffen Szeidl, Vorstand Drees & Sommer
Im Februar dieses Jahres meldete der Finanzinvestor PropTech1 Ventures die Zahl von 515 digitalen Dienstleistern für die Bau- und Immobilienwirtschaft. Die PropTechs und ConTechs sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz beheimatet. Bislang konnten sie rund 300 Millionen Euro an Investments für sich beanspruchen. Blickt man über die DACH-Region hinaus, ergibt sich eine Gesamtzahl von rund 2.800 Prop- und ConTechs. Rund ein Viertel von ihnen stammt aus dem Vereinigten Königreich. Mag die Zahl im Vergleich zu den allein in Deutschland vertretenen 900 FinTechs, den Wegbereitern der digitalen Finanzwirtschaft, noch überschaubar sein – für Immobilienunternehmen ergibt sich dennoch ein undurchsichtiger Dschungel. Dies gilt umso mehr, wenn die digitalen Akteure nur durch Logo und Namen bekannt sind. Es bedarf folglich einer intelligenten Suchplattform, um der gesamten Branche den Auswahl- und damit Digitalisierungsprozess zu erleichtern – besonders jenen Unternehmen, die bei der digitalen Transformation noch ganz am Anfang stehen.
Wie also gelangt man zum passenden PropTech? Hier ist zunächst der Faktor Erfahrung zu nennen. Wie Deloitte feststellte, ist der Markt einer erheblichen Volatilität unterworfen: Von 2018 auf 2019 schied allein ein Sechstel der ermittelten 300 PropTechs aus dem Markt aus, im selben Zeitraum kamen 70 neue Unternehmen hinzu. Die Corona-Pandemie beschleunigt die bereits zuvor vorhandene Tendenz zur Konsolidierung des rund zehn Jahre alten PropTech-Marktes. Laut Angaben des US-amerikanischen Beratungsunternehmens Genome mussten die PropTechs weltweit seit Pandemie-Beginn rund 32 Prozent Umsatzeinbußen hinnehmen. Nur 32 Prozent konnten den vereinbarten Zeitplan für ihre Finanzierungsrunden einhalten. Zahlreiche frisch gegründete Unternehmen fanden ihr vorzeitiges Ende.
Die Digitalisierungs-Pioniere der ersten Stunde hingegen mit ihrer langjährig gewachsenen Marktpräsenz und Branchenerfahrung haben sich durch ein belastbares Geschäftsmodell und solides Wirtschaften bewährt. Sie eignen sich daher nicht nur als Auftragsempfänger etablierter Immobilienunternehmen. Zugleich können sie im Prozess der Digitalisierung beraten, da sie permanente Marktanalyse betreiben und durch Kooperationen oder strategische Zukäufe von Startups ihr Produktangebot mit spezifischen Komponenten erweitern. Insbesondere die Implementierungserfahrung zeichnet die etablierten Digitalunternehmen aus. Ein entsprechender Track Record kann als Garant eines gelungenen Prozesses dienen, der zunehmend kommunikative Aspekte zu beachten hat.
Der profilierten Beratung etablierter digitaler Dienstleister und größerer Immobilien-Serviceunternehmen ist eine Marktanalyse vorgeschaltet. Matching-Plattformen haben sich hierbei als transparente Entscheidungshilfe bewährt. Sie dienen als Austauschforum zwischen etablierten Akteuren und Digitalunternehmen. Mittels Verknüpfung mit Datenbanken können sie auf bis zu 50.000 Startups zurückgreifen. Die allgemeinen Begriffe Startup und Digitalunternehmen sind bewusst gewählt, da zum Beispiel Anbieter einer Software für Portfolioanalyse in der Finanzbranche eins zu eins auch in der Immobilienwirtschaft agieren können. Über eine Schlagwortsuche und spezifische Filterfunktionen findet eine erste Auswahl eines möglichen Digitalisierungspartners statt.
Die meisten PropTechs haben sich nämlich auf eine bestimmte Gruppe von Unternehmen wie beispielsweise die Wohnungswirtschaft spezialisiert und verfügen in der Regel über nur wenige Produkte. Diese PropTechs gilt es auf ihre Wirtschaftlichkeit und Schnittstellen-Offenheit zu überprüfen. Sollte beides passen und seitens des Immobilienunternehmens nur ein ganz spezifisches Geschäftsfeld digitalisiert werden, ergibt sich ein Matching. Anders gesagt: Der Matching-Prozess funktioniert umso besser, je detaillierter die Vorbereitung des suchenden Unternehmens ausfällt. Unternehmen, die am Anfang des Digitalisierungsprozesses stehen, können zwar PropTechs mit breitem Produktportfolio selektieren. Doch da ihre Zahl weiterhin beschränkt ist, ist eine Erstberatung durch spezialisierte Unternehmensberater vorzuziehen. Setzt Digitalisierung nämlich an einer beliebigen Stelle an, ohne die übergeordnete Strategie zu berücksichtigen, ist sie zum Scheitern verurteilt. Zur übergeordneten Strategie zählt das Wissen um die am leichtesten zu digitalisierenden Geschäftsprozesse, um den sinnvollen Einsatz von Künstlicher Intelligenz, Data Analytics und Cloud und nicht zuletzt auch um die Akzeptanz neuer Lösungen durch die Mitarbeiter.
Das Ziel des Matchings sollte eine langfristige Partnerschaft auf Augenhöhe sein. Natürlich kann Digitalisierung auch kurzfristig und projektbasiert zur Effizienzsteigerung und Kostenreduktion erfolgen. Nur partielle Bereiche zu digitalisieren und dann das nächste Startup für eine Insellösung zu beauftragen, widerspricht gleichwohl dem Kooperationsprinzip der Digitalwirtschaft. Bestenfalls erreichen beide Partner eine systematische Datenverwertung, um diese in gewinnbringende neue Geschäftsmodelle umzumünzen – gerade auch im Verbund mit weiteren Unternehmen. Ein smartes Matching Tool ist ein unverzichtbarer Baustein für mehr Kooperation zwischen den Akteuren. Zusätzlich können Innovationshubs und Inkubatorprogramme die weitere persönliche Vernetzung befördern.
Fazit: Eine statische PropTech-Landkarte verschafft nicht mehr als einen Überblick über Namen und einzelne Tätigkeitsbereiche. Wer einen passenden, idealerweise langfristigen Digitalisierungspartner identifizieren möchte, sollte einen strukturierten Auswahlprozess starten. Intelligente Matching-Algorithmen innerhalb einer Plattform liefern auf Knopfdruck individuell auf die eigenen Ansprüche zugeschnittene Vorschläge. So lässt sich der Perfect Match auf Basis einer stets aktuellen Datenlage zielgenau bestimmen und der Digitalisierungsprozess vorantreiben.
Heike Gündling, Managing Director Real Estate, Eucon Digital GmbH
Foto: Eucon
Heike Gündling verantwortet als Managing Director den Geschäftsbereich Immobilien beim international tätigen Digitalunternehmen Eucon. Zuvor war die studierte Diplomkauffrau u.a. in der Geschäftsleitung von Corpus Sireo Asset Management, Bilfinger Real Estate und dem PropTech Architrave. Die Digitalisierungsexpertin ist Mitglied im gif-Arbeitskreis Datenmanagement, im Fachbeirat „Digitales Immobilienmanagement“ der TH Aschaffenburg, in der Fachkommission Immobilien des DVFA und im Akademiebeirat der IREBS.
Steffen Szeidl, Vorstand der Drees & Sommer SE
Foto: Piechowski
Steffen Szeidl absolvierte sein Studium der Architektur an der Technischen Universität Darmstadt und der Eidgenössischen-Technischen Hochschule Zürich (ETH). Seit Januar 2015 ist Steffen Szeidl Vorstand der Drees & Sommer Gruppe und verantwortet u.a. neben den Bereichen Finanzen, IT und Unternehmenskommunikation auch die Digitalisierungs-Strategie des Unternehmens.
Erstveröffentlichung am 25.08.2020 im immobilienmanager.
Verfasst von Eucon Digital GmbH