Dienstag, 01. Februar 2022
Durch die Pandemie hat sich in der Immobilienwirtschaft in Sachen Digitalisierung einiges bewegt. Nun jedoch muss die Branche einen großen Schritt weiter gehen – hin zu effektiver Datennutzung und neuen Ertragsmodellen. Konkret bedeutet dies, dass die Immobilie nicht mehr als rein physisches Gebäude, sondern auch als Datenhub verstanden wird. Die Automobilindustrie hat hier bereits vorgelegt. Ein Beitrag von Philipp Schäfer, Managing Director Real Estate, Eucon Digital.
Der Mehrwert der Digitalisierung in Immobilienunternehmen ist vielfältig. Zunächst bezieht er sich auf eine höhere Effizienz betrieblicher Abläufe. Der Einsatz gezielter Software spart Zeit und Kosten, die Prozesse im Unternehmen gewinnen an Transparenz und Flexibilität, die Mitarbeiterzufriedenheit steigt. Dieser Gewinn nach innen strahlt schnell nach außen aus. Neue, softwarebasierte Prozesse sind in der Regel kundengetrieben und resultieren daher in höherem Service: Schnellere Bearbeitungszeiten, rascherer Zugriff auf gewünschte Daten und neue Formen der Dienstleistung sind logische Folgen einer gelungenen Digitalisierung. Wenn sich ein Wettbewerbsvorteil aus effektiver Digitalisierung ergibt, können Unternehmen branchenübergreifend die nächste Etappe der digitalen Transformation in Angriff nehmen. Denn je schneller Digitalisierung voranschreitet, desto mehr bricht sie tradierte Abgrenzungen zwischen Wettbewerbern auf. Geteilte Daten und Informationen werden zum Erfolgsfaktor. Die jeweilige Ware einer Branche wird vom physischen Objekt zum Datenhub.
Immobilien können diese Transformation ebenso leisten, wie wir es von Autos mit ihren zahlreichen Stakeholdern bereits gewohnt sind. Schon jetzt arbeiten Fahrzeughersteller, Automobilzulieferer und weitere Marktteilnehmer rund um die Produktion von Autos kooperativ zusammen. Vernetzte Konnektivitätsdienste im Auto ermöglichen Autofahrern einen Mehrwert und Herstellern neue Wertschöpfungspotenziale.
Bezogen auf die Immobilienbranche sind Gebäude dann nicht nur Transaktionsobjekte, sondern die Quelle effektiver Wertschöpfungsprozesse und neuer Geschäftsmodelle. Hierzu ist ein fundamentaler Wandel des Mindsets nötig, da alle gebäuderelevanten Dienstleister zusammengeführt werden müssen, um die Datenplattform Immobilie aufzubauen.
Datenteilung als unverzichtbares Element
Daten zu teilen, um zwischen den Stakeholdern einen gemeinsamen Mehrwert zu schaffen, ist in der deutschen Wirtschaft immer noch ungewöhnlich. Nach einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft von 2020 halten nur zwölf Prozent der befragten Unternehmen den Zukauf oder die Nutzbarmachung externer Daten für vertretbar. Übertragen auf die Immobilienwirtschaft, bedeutet dies: Wenn ein Asset Manager einen Ankauf tätigen möchte, kann er nicht die relevanten Gebäudedaten per einfachen Zugriff erwerben, sondern muss eigene Gutachter und Bewerter beauftragen. Nach erfolgtem Ankauf ist er zwar Eigentümer oder zumindest Verwalter der Immobilie, kann aber weiterhin nicht von Datentransparenz profitieren. Denn nicht nur die Mieter, sondern auch seine Dienstleister im Property- und Facility-Management behalten ihre Daten für sich.
Die Automobilindustrie ist im Hinblick auf eine Vernetzung und einen Datenaustausch schon einen großen Schritt weiter. Das Auto ist mehr als ein konstruiertes und zu verkaufendes Produkt. Viele Daten, die es sammelt, liefern heute schon Informationen über den technischen Zustand des Fahrzeugs, Mobilitätsgewohnheiten des Fahrers oder Umgebungsdaten. In seiner Nutzungsphase erzeugt, verarbeitet, speichert und sendet es über eine ausgeklügelte Sensorik und Schnittstellen massenhaft Informationen. Werden diese an die Hersteller übertragen, können Qualitätsverbesserungen, Innovationen und Services neu entstehen. Dies ist möglich, weil Unternehmen ihre Daten mit anderen teilen und in der Folge Transparenz für die gesamte Industrie schaffen. In der Immobilienbranche ist ein Mehr an Daten und Transparenz insbesondere für professionell agierende Marktteilnehmer auch ein entscheidender Hebel, um den vorhandenen Bestand noch zielgerichteter wertsteigernd zu managen und zu entwickeln. Ziel muss es sein, aus den Daten konkrete Handlungsoptionen unter anderem für den Umgang mit Mietern und den technischen Betrieb der Liegenschaften abzuleiten.
Perspektiven für eine effektive Datennutzung
Die Wirtschaft hierzulande muss sich mit effektiven Datenprozessen auseinandersetzen. Dazu sollten ganze Branchen ihr Kernprodukt stets auch als wertvollen Datenfundus begreifen. Hierfür bedarf es auch in der Immobilienwirtschaft eines neuen Denkens: Für Immobilienunternehmen gilt es, die Wertsteigerungspotenziale eines effizienten Gebäudeverwaltungsprozesses und des Gebäudes selbst zu verinnerlichen. Das Gebäude ist dann nicht mehr nur Immobilie, sondern eine hochdynamische, vernetzte Datenplattform. Diese kann entstehen, wenn beispielsweise
Erst dann wird das Gebäude als Datenhub effektiv genutzt. Das Gebäudemanagement kann damit letztendlich auf ein höheres Qualitätsniveau gehoben werden. Neue, smarte Produkte und Services können entstehen. Neben den genannten Zielgruppen profitieren Eigentümer, Mieter, Betreiber und Nutzer gleichermaßen von den Möglichkeiten datengetriebener Geschäftsmodelle und Gebäudeoptimierung.
Der Weg bis dahin ist noch weit, doch die Transformation hin zur Datenwirtschaft ist bereits im vollen Gange – und andere Branchen machen es vor.
Erstveröffentlichung Immobilienmanager, 19.01.2022 (Paywall)
Verfasst von Eucon Group