Freitag, 29. Mai 2020
Von Sven Krüger, CEO Eucon Group
Noch vor einigen Wochen war es undenkbar: Eine Pandemie löst einen Digitalisierungsboom in Deutschland aus, den es unter normalen Bedingungen in diesem Tempo nicht gegeben hätte. Plötzlich geht alles digital, remote und kontaktlos. Arbeiten, Lernen, Einkaufen, Sport, Forschung– all das wird nun quasi über Nacht durch digitale Technologien unterstützt, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen.
Selbst den unsichtbaren Wegen der Ansteckung ist man durch Apps auf der Spur. Der positive Trend ist unverkennbar: Die Infektionskurve flacht ab und Deutschland freundet sich so rasch mit einem daten- und technologiegestützten Alltag an wie nie zuvor.
Der aktuelle Digitalisierungsschub stellt die tief im kollektiven Bewusstsein verankerten Gewohnheiten auf den Kopf. Schon jetzt hat das Virus die hierzulande lange gehegte Zurückhaltung gegenüber digitalen Bezahlvorgängen verdrängt – und das in einem Land, in dem Bargeld bei Verbrauchern bisher so hoch im Kurs stand wie nirgendwo sonst. Im Arbeitsleben kennt nun fast jeder die Vorzüge von Microsoft 365, Teams, Zoom oder Slack – Tools, die Arbeitnehmer im Homeoffice produktiv miteinander vernetzen.
Vielerorts wird bereits ein Sinken der Büromieten vorhergesagt, weil das ‚Büro zu Hause‘ auch aus Sicht vieler Arbeitgeber überraschend gut und effektiv funktioniert. Und auch in der produzierenden Wirtschaft ist das Thema Digitalisierung durch die Pandemie auf der Agenda ganz nach oben gerückt. Industriehersteller erfahren, dass die Digitalisierung ihre Betriebsfähigkeit aufrechterhalten kann, dass sie hilft menschliche Routinearbeiten durch Automatisierung zu ersetzen. Sie entdecken ihren Digitalisierungsgrad als Wettbewerbsvorteil.
Nicht zuletzt wurde die digitale Interaktion von Unternehmen mit ihren Kunden in den letzten Wochen in fast jeder Branche massiv überarbeitet und weiterentwickelt. Zum einen, weil viele Unternehmen nur auf digitalem Wege arbeitsfähig bleiben konnten. Zum anderen, weil die Erwartungen der Kunden hinsichtlich Reaktionsgeschwindigkeit, Nutzerfreundlichkeit und Individualität der Leistungen gestiegen sind. Was sie bisher von digitalen Pionieren wie Amazon bekommen haben – integrierte, an ihren Bedürfnissen ausgerichtete digitale Prozesse, Geschäftsmodelle und „Kundenreisen“ – verlangen sie in der aktuellen Situation durchgängig in allen Lebensbereichen.
Corona verdeutlicht digitalen Handlungsbedarf
Das zeigt sich nicht zuletzt auch in der Versicherungswirtschaft, wo die Online-Portale einiger Unternehmen derzeit doppelt so hohe Registrierungszahlen verzeichnen, wie vor der Pandemie. So hat eine Befragung von Ernst & Young und V.E.R.S. Leipzig kürzlich das Ergebnis geliefert, dass die digitalen Vertriebskanäle und Kundenschnittstellen in der Versicherungsbranche weiter an Bedeutung gewinnen.
Die Pandemie dürfte die digitale Transformation der Unternehmen deutlich vorantreiben. Dieser Trend wird sich auch dadurch verstärken, dass Verbraucher gezwungen sind, für Alltags-Transaktionen digitale Kanäle zu nutzen und sich die Präferenzen der Kunden schneller verändern als je zuvor. Zu dem Schluss kommt der gerade veröffentlichte World Insurance Report 2020 von Capgemini und Efma.
Künstliche Intelligenz ist der Treiber der digitalen Transformation
97 Prozent der interviewten Führungskräfte von Banken und Versicherern sagen in einer Befragung von PwC, dass KI ein wichtiger Innovationstreiber sein wird. Maschinelles Lernen und fortgeschrittene Datenanalyse werden dabei helfen, die Qualität von Prozessen und das Kundenerlebnis zu verbessern. In der Versicherungswirtschaft der Zukunft werden die Unternehmen erfolgreich sein, die KI und Analytics nahtlos mit menschlicher Expertise und Urteilsvermögen verbinden und anhand von Echtzeit-Daten individuell auf die persönlichen Bedürfnisse der Kunden abgestimmte Prozesse und Geschäftsmodelle liefern.
Corona hat uns vor allem eines deutlich gemacht: Es gibt praktisch keine digitalisierungsskeptischen Branchen mehr in Deutschland. Die deutsche Digitalwirtschaft wächst, denn die Unternehmen haben sich für eine umfassende Digitalisierung ihrer Prozesse und Geschäftsmodelle entscheiden müssen.
Erstveröffentlichung Versicherungswirtschaft heute, 26. Mai 2020
Verfasst von Eucon Group