Dienstag, 28. Februar 2023
>> 2023 dürfte in jeder Hinsicht ein anspruchsvolles Jahr werden. <<
Zwar fallen einige makroökonomische Faktoren, die in den vergangenen drei Jahren die Automobilindustrie ausgebremst haben, langsam weg: Die Lieferketten entspannen sich, die Inflation ist verlangsamt und die Lagerbestände normalisieren sich. Die Arbeitslosigkeit ist in Nordamerika mit 3,6 % in den USA und 5,8 % in Kanada im vierten Quartal 2022 weiterhin so niedrig wie nie zuvor in der jüngsten Geschichte.
Doch gleichzeitig steigen die Zinsen und die Konjunktur schwächt sich ab, was mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Rezession führen wird. Für das Neuwagengeschäft war 2022 eines der schlechtesten Jahre seit einem Jahrzehnt: Der Absatz fiel in den USA auf 13,7 Millionen Fahrzeuge (niedrigster Stand seit 2012), und auch Kanada schloss mit etwa 1,5 Millionen Fahrzeugen schlecht ab (niedrigster Stand seit 2009). Laut den Prognosen mehrerer Experten wird dieses Jahr voraussichtlich nicht viel besser ausfallen.
Aufgrund dieser gegensätzlichen Faktoren lässt sich das Jahr 2023 daher nur schwer vorhersehen. Der Aftersales-Bereich mag 2022 mit einem geschätzten Umsatzwachstum von 8-10 % erneut erfolgreich abgeschnitten haben, doch 2023 könnte es deutlich holpriger werden.
Hier beantworten wir einige der zentralen Fragen zur diesjährigen Entwicklung des Automotive Aftermarket in Nordamerika:
1. Was wird den Automotive Aftermarket am stärksten beeinflussen?
Drei Jahre mit niedrigen Neuwagenverkäufen in Folge zeigen bei OEM und Händlern negative Auswirkungen im Wartungsgeschäft mit Teilen und Dienstleistungen. Deshalb werden sie zunehmend auf den Markt für Fahrzeuge des Lebenszyklus 2 und 3 drängen, um das Aftersales-Geschäft, das mit neuen Modellen nicht realisiert werden konnte, zu kompensieren. Dies wird wiederum zu mehr Wettbewerb im Segment der 5-10 Jahre alten Fahrzeuge führen. Nach zwei Rekordjahren war das Gebrauchtwagengeschäft 2022 rückläufig (um ca. 10 % in den USA). Die Nachfrage wird jedoch auch 2023 insgesamt auf hohem Niveau bleiben, mit positiven Auswirkungen auf den Automotive Aftermarket. Zudem werden sich die zwei Schlüsselfaktoren Laufleistung und Fahrzeugalter weiterhin positiv auf den Teileverkauf auswirken. Obwohl aufgrund von Homeoffice oder hybriden Arbeitsmodellen wohl weiterhin weniger gependelt wird als früher, deuten Daten zur Laufleistung in den USA auf eine Normalisierung der Fahrzeugnutzung hin. In den letzten 12 Monaten haben Amerikaner ca. 3,2 Mrd. Meilen zurückgelegt – fast so viel wie vor der Pandemie. Auch das Durchschnittsalter der Fahrzeuge ist konstant und liegt zurzeit bei deutlich über 12 Jahren. Und obwohl Teile aufgrund einer besseren Fahrzeugqualität länger halten als je zuvor, wird der ältere Fahrzeugbestand sich auch 2023 positiv auf den Aftermarket auswirken.
2. Wie wird der Aftermarket abschneiden?
Alles deutet auf ein weiteres gutes Jahr für den Aftermarket hin, obwohl es schwer werden dürfte, die Wachstumsraten von 2021 und 2022 zu wiederholen. Das Umsatzvolumen wurde bisher vor allem durch Preiserhöhungen getrieben, die aufgrund von Rohstoff- und Lieferkettenkosten nötig geworden waren. Nach dem Einbruch im Jahr 2020 sind die verkauften Stückzahlen nach dem erwarteten Aufschwung stabil geblieben. Für 2023 wird eine weiterhin hohe Nachfrage prognostiziert, auch wenn es zu einer leichten Rezession kommen sollte, da andere Faktoren, wie oben beschrieben, positiv Einfluss nehmen werden. Daten von Eucon zeigen bereits, dass sich die Preise im Aftermarket stabilisieren. Das bedeutet, dass sich das Umsatzwachstum im Jahr 2023 wahrscheinlich auf Inflationsniveau einpendeln wird, bei etwa 4-6 %. Der Anstieg dürfte für die USA und Kanada ähnlich ausfallen.
3. Welche Rolle spielen neue Fahrzeugtechnologien?
In der Automobilindustrie ist E-Mobilität weiterhin das große Thema. Für den Aftermarket stellt sich jetzt die Frage, wie schnell der Fahrzeugpark von Verbrennungsmotoren auf Elektroantrieb umstellen wird. Zwar hat sich der Absatz von Elektrofahrzeugen besser entwickelt als erwartet – der Anteil am Neuwagengeschäft hat sich von etwa 3 % im Jahr 2021 auf ca. 6 % im Jahr 2022 fast verdoppelt. Für die USA wird erwartet, dass E-Fahrzeuge in diesem Jahr zum ersten Mal die Marke von einer Million überschreiten werden. In Kanada wird das Wachstum ähnlich hoch ausfallen. Trotzdem sind die direkten Auswirkungen auf den Aftermarket vernachlässigbar, da der Anteil der E-Fahrzeuge am Gesamtmarkt nur 2-3 % beträgt. Außerdem ist selbst dieser kleine Anteil relativ neu und erfordert daher keine Wartung oder Reparatur. Gleichzeitig wird die erste Welle der in den letzten zehn Jahren verkauften Stromer – auch wenn die Zahl klein ist – zum ersten Mal in den zweiten Lebenszyklus eintreten. Der Ersatzteilmarkt reagiert auf diesen Trend, indem er Werkstätten auf diese Fahrzeuge vorbereitet – beispielsweise mit NexDrive, einer Reparatursoftware für E-Fahrzeuge, die in Nordamerika von NAPA eingeführt wurde. Die Branche wird in den kommenden Monaten weitere Initiativen dieser Art sehen, um von den sich abzeichnenden Chancen durch die Elektrifizierung zu profitieren.
4. Welche weiteren Veränderungen wird die Digitalisierung für den Aftermarket bringen?
Durch die Pandemie hat die Digitalisierung einen starken Schub erlebt, insbesondere im Ersatzteilgeschäft. Laut einer von zwei führenden US-Aftermarket-Verbänden gemeinsam veröffentlichten Studie hat sich der Online-Handel für Ersatzteile in den USA von 6,5 % im Jahr 2018 auf 12,1 % im Jahr 2021 fast verdoppelt. Auch wenn sich das explosive Wachstum von 2020 wohl nicht wiederholen wird, lassen die Daten einen Zuwachs von ca. 8% im Vergleich zum Vorjahr erwarten. Der Online-Umsatz im B2C-Segment stellt jedoch nur einen kleinen Teil der Digitalisierungsdynamik dar. Auch im B2B-Bereich werden immer mehr Aftersales-Transaktionen digital abgewickelt. Zulieferer, Einzelhändler und Distributoren investieren in großem Umfang in die Minimierung von Reibungsverlusten an digitalen Touchpoints, indem sie ihre elektronischen Kataloge und die Vertriebswege verbessern und andere Formen der digitalen Unterstützung anbieten. Jedes Jahr eröffnen weitere Händler Online-Ersatzteilshops und unterstützen damit die OEMs in ihrem Streben nach mehr Umsatz. 2023 und darüber hinaus wird sich der Abstand zwischen Wettbewerbern, die sich auf die Digitalisierung eingestellt haben, und denjenigen, die weiterhin auf traditionelle Weise Geschäfte machen, vergrößern.
5. Welche Rolle werden Daten und Data Analytics bei diesem Wandel spielen?
Die zunehmende Digitalisierung bietet den Marktakteuren Zugang zu mehr Daten – sowohl über ihre eigenen Plattformen als auch von externen Quellen. Mehr Daten wiederum ermöglichen schnellere und präzisere Entscheidungen. So führen digital gut aufgestellte Wettbewerber häufiger Preismaßnahmen durch, die durch die Volatilität des Marktes, Automatisierungstools und die Kundenwahrnehmung bestimmt werden. Auch wenn man argumentieren könnte, dass das Inflationsumfeld günstiger ausfallen wird – die Datentransparenz wird durch die Zunahme des elektronischen Handels und die Digitalisierung nur noch weiter zunehmen. Wenn sowohl B2B- als auch B2C-Kunden einfachen und ständigen Zugang zu Produktdaten haben, müssen die Akteure im Aftermarket dafür sorgen, immer einen Schritt voraus sein, indem sie robuste Prozesse zur Erstellung, Nutzung und Auswertung von Hochfrequenzdaten entwickeln. Sie müssen zudem an Analysetools arbeiten, um auf der Grundlage dieser Daten agieren zu können. Andernfalls riskieren sie, kurz- und langfristig Wettbewerbsvorteile einzubüßen.
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Kumar Saha (Vice President, Eucon Americas, LLC / Managing Director, Eucon Canada)
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Verfasst von Kumar Saha